Girlans Kellerwelten
Über Jahrhunderte hinweg waren sie einfach da und wurden von Winzern und Weinkellereien genutzt. Die „tiefen Keller“ Girlans waren trotz ihrer stattlichen Ausmaße und der eindrucksvollen Gewölbe keine Sensation, sondern einfach im Arbeitsalltag genutzte Räume, in denen die Weine lagerten.
Doch um die Wende zum zweiten Jahrtausend herum hat sich das gewandelt: Drei Girlaner Weinkellereien gaben ihren Betrieb auf beziehungsweise siedelten ihn aus. Weil plötzlich das Althergebrachte, die Tradition und die mit ihr verbundenen Erinnerungen und Zeugnisse drohten verlorenzugehen, wuchs nach und nach ein neues Bewusstsein, das die Vergangenheit in die Zukunft retten will. Dieses Bewusstsein wird von der Überzeugung getragen, dass die wertvollen Zeugen der Geschichte nicht sang- und klanglos dem Vergessen anheimfallen oder gar verlorengehen dürfen.
Einige engagierte Girlanerinnen und Girlaner organisierten daher die Vermessung der Keller durch die Universität Innsbruck. Zwischen 2003 und 2005 wurden 52 Keller im Girlaner Ortskern vermessen und ein Kellerplan erstellt. Die Vermessung war Voraussetzung dafür, die Keller als Kulturerbe offiziell unter Schutz stellen zu können.
So entstand die Idee des „Vineum“-Projekts, einer Weinerlebniswelt, die viele Girlaner Keller mit einbezogen hätte, die ihre ursprüngliche Nutzung verloren hatten. Aus verschiedenen Gründen wurde dieses Großprojekt bis heute allerdings nicht verwirklicht.
Trotz verschiedener Rückschläge, Enttäuschungen und nicht eingehaltener Vereinbarungen wirft die „Weinwelt Girlan“ die Flinte nicht ins Korn. Im Gegenteil: Wir setzen uns unbeirrt für den Erhalt dieser historischen unterirdischen Architektur („Terratektur“) ein, denn an unserer Überzeugung hat sich nichts geändert: Wir haben die Pflicht, die Keller als Vermächtnis an die kommenden Generationen weiterzugeben.
Die Girlaner Kellerwelten im Buch
Ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg der „Weinwelt Girlan“ ist das im August 2021 erschienene Buch „Kellerwelten – Weinwelten: Das Kellerensemble von Girlan – ein europäisches Unikat“. Die rund 330 Seiten starke Publikation entstand in Zusammenarbeit zwischen der „Weinwelt Girlan“, dem Kuratorium für Technische Kulturgüter und der Universität Innsbruck.
Das Werk dokumentiert anschaulich und detailliert die Girlaner Keller als europaweit einzigartiges Ensemble und Kulturgut und stellt damit ein einmaliges Zeugnis der Weinwirtschaft in unserem Dorf dar.
Das Buch zeichnet nicht nur akribisch Lage, Ausmaß und Nutzung der unterirdischen Weinwelten nach, sondern bewahrt damit vor allem Vergangenes vor dem Vergessen, macht Geschichte für uns Nachgeborene lebendig und erinnert uns daran, dass unsere Generation nicht ohne die Vergangenheit vorstellbar ist und es daher unsere Pflicht ist, sie vor dem kulturlosen Zugriff kurzsichtiger Wirtschaftsinteressen von einigen wenigen zu bewahren.